Vernünftig, fair, funktionsfähig – Unser System der Renten- und Arbeitslosenversicherung

Vernünftig, fair, funktionsfähig – Unser System der Renten- und Arbeitslosenversicherung

1. Arbeitslosenversicherung
Der deutsche Arbeitsmarkt und insbesondere die Arbeitslosenversicherung haben mit den zwischen 2003 und 2005 eingeführten Hartz-Reformen eine beispiellose Erneuerung erfahren, die die Jungen Liberalen Hessen als wichtigen Faktor für die geringe Arbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Lage Deutschlands in der letzten Dekade anerkennen. Auch wenn die Hartz-Reformen zu ihrer Zeit richtig waren, müssen sie heute, 15 Jahre später, weiterentwickelt werden, um Deutschlands Wirtschaftskraft in Zukunft zu sichern. Mit der Hartz IV-Reform wurde das Arbeitslosengeld reformiert, was höhere Arbeitsanreize mit sich brachte. In der deutschen Arbeitslosenversicherung wird zwischen dem Arbeitslosengeld I für Kurzzeitarbeitslose bis zu einem Jahr und dem Arbeitslosengeld II für Langzeitarbeitslose unterschieden. Die Hartz-IV-Reform hat sich primär auf das ALG II ausgewirkt, während Anpassungen des ALG I nur marginal erfolgt sind.

1.1. Bürgergeld statt ALG II
Die Jungen Liberalen Hessen erkennen an, dass der Staat die Aufgabe hat, ein Sicherungsnetz für Menschen in Not zu bieten und ihr sozio-ökonomisches Existenzminimum zu sichern. Daher sprechen wir uns gegen eine vollständige Privatisierung der Arbeitslosenversicherung aus und halten es für notwendig, dass ein Grundniveau der finanziellen Sicherung in Arbeitslosigkeit staatliche Verantwortung bleiben muss. Arbeitslosigkeit ist ein individuelles Lebensrisiko, kollektiv hängt sie aber auch von nationaler und internationaler Politik und der wirtschaftlichen Konjunktur sowie makroökonomischen Entwicklungen ab. Dies erschwert die Risikokalkulation für Versicherungsunternehmen und kann zu nicht leistbaren Prämien führen.
Hartz IV und seine diversen Zusatzleistungen wie Wohn- oder Heizungsgeld zu überblicken stellt eine bürokratische Herausforderung für Behörden und Menschen dar, die hohe Verwaltungskosten verursacht und daher ineffizient ist. Deswegen setzen die Jungen Liberalen Hessen sich für die Überführung des ALG II in ein leistungsgerechtes, bedarfsabhängiges Bürgergeld ein. Das Bürgergeld fasst alle steuerfinanzierten Sozialleistungen, wie Grundsicherung, Kindergeld oder Wohngeld, unabhängig von der Lebenssituation und dem Lebensabschnitt zu einem Universaltransfer zusammen. Grundprinzip ist die negative Einkommenssteuer, die einen fließenden Übergang von einem positiven Transferbereich und der Zahlung von Bürgergeld zu einem negativen Transferbereich und der Zahlung von Steuern ermöglicht. Durch die Aufhebung von starren Grenzen, insbesondere für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, wird kalte Progression abgebaut, ein faireres Sozialsystem ermöglicht und entbürokratisiert. Hinzuverdienst durch Arbeit wird immer durch höhere finanzielle Mittel belohnt, sodass Arbeitsanreize gegeben sind. Im Gegensatz zum ALG II besteht das Recht auf Bürgergeld bei Bedarf ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit und nicht erst nach Ablauf des Bezugs von ALG I. Für den Erhalt des Bürgergelds in Arbeitslosigkeit soll äquivalent zum ALG II die Bereitschaft zu Arbeit Bedingung sein, sodass Arbeitsunwillige bei Verweigerung von zumutbarer Arbeit mit empfindlichen finanziellen Kürzungen zu rechnen haben.

1.2. Reform des ALG I
Das Arbeitslosengeld I hat in seiner jetzigen Form zwei zentrale Ziele, die ein Abwiegen erfordern. Zum einen schafft es durch die zeitliche und finanzielle Begrenzung seiner Auszahlung den Anreiz eine neue Arbeitsstelle zu suchen, um nicht in die Langzeitarbeitslosigkeit abzurutschen und das geringere ALG II zu beziehen. Zum anderen gewährleistet es durch sein hohes Auszahlungsniveau ein geringes Abfallen des Einkommens, sodass der Arbeitslose sich die Zeit nehmen kann, einen Beruf entsprechend seiner Qualifikationen zu suchen. Die Jungen Liberalen Hessen erkennen die Funktion des ALG I an.
Die Jungen Liberalen Hessen stehen einer zusätzlichen privaten Absicherung für Arbeitslosigkeit jedoch offen gegenüber. Weiterhin halten wir eine betriebliche Lösung für eine gute Ergänzung zum staatlichen System, zu der sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber entscheiden können.
In der betrieblichen Variante kann der Arbeitnehmer sich entschließen, einen Teil seines Lohns vom Arbeitgeber in eine Rückstellung umwandeln zu lassen, die im Falle von Arbeitslosigkeit ausgezahlt wird. Um dies zu ermöglichen, erhält der Arbeitnehmer den Rechtsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber Lohn auf Wunsch zurückstellen zu lassen, ähnlich der betrieblichen Rentenversicherung. Der in der Rückstellung gebildete Betrag wird bei Arbeitslosigkeit in monatlichen Raten ausgezahlt, wobei der Arbeitnehmer frei über die Höhe der Raten entscheiden kann. Sollte der Arbeitnehmer nicht von Arbeitslosigkeit betroffen werden, kann er das Geld bei Eintritt in die Rente in seine Rentenvorsorge überführen. Die vom Arbeitgeber gebildeten Rücklagen müssen insolvenzgeschützt und bei einem Arbeitsplatzwechsel übertragbar sein und werden im Todesfall an die Hinterbliebenen ausgezahlt. Mit der betrieblichen Variante wird sichergestellt, dass jeder die Möglichkeit hat, zusätzlich für den Fall der Arbeitslosigkeit vorzusorgen.
Die Systeme können flexibel kombiniert werden, sodass jeder sich für den für ihn persönlich besten Weg entscheiden kann. Erträge aus beiden Vorsorgevarianten sollen nicht auf das Bürgergeld angerechnet werden, damit die Versicherung immer einen finanziellen Vorteil für Vorsorgende bietet.

2. Rentenversicherung
Im Gegensatz zur Arbeitsmarktpolitik wurde die gesetzliche Rentenversicherung in den letzten Jahren stiefmütterlich von der Politik behandelt. Das bisherige dreigliedrige Säulenmodell aus staatlicher, betrieblicher und privater Rentenversicherung, dessen Hauptlast die staatliche Säule trägt, hat sich als instabil erwiesen und das Rentengebäude droht einzustürzen. Unser Rentensystem basiert auf einem Umlageverfahren, das im Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs §153 Abs. 1 geregelt ist und besagt, dass die Ausgaben eines Kalenderjahres für die aktuelle Rentnergeneration durch die Einnahmen der Beitragszahler desselben Jahres gedeckt werden. Das Umlageverfahren funktioniert jedoch nur bei einer konstanten Geburtenrate, die in Deutschland nicht gegeben ist und generell eine Spekulation auf das Verhalten zukünftiger Generationen darstellt. Statt auf den Demographiewandel einzugehen und Generationengerechtigkeit zu schaffen, haben Wahlgeschenke und Nach-mir-die-Sinnflut-Politik die Situation verschärft. Versicherungsfremde Leistungen sind nicht über die Rentenkasse, sondern über Steuerzahlungen zu finanzieren. Deswegen ist eine dringende Reform der Rentenversicherung erforderlich, um die Risiken, die die drei Vorsorgesäulen mit sich bringen, zu minimieren. Das Rentensystem muss gerecht für alle Generationen und beruflichen Situationen sein, Menschen ohne ausreichende finanzielle Mittel im Alter auffangen und gleichzeitig den Steuerzahler vorm Zusammenbruch des Systems und Belastungen schützen. Deswegen sprechen die Jungen Liberalen Hessen sich für eine stärkere Gewichtung der privaten, kapitalgedeckte Säule und eine fundamentale Reform der staatlichen Versicherung aus.

2.1. Staatlich
a) Bürgergeld und Rente
Die Jungen Liberalen Hessen sprechen sich für eine Anwendung des Bürgergelds auf das Rentensystems aus. Hierbei wird das Umlagesystem durch ein steuerfinanziertes System ersetzt.
Bei der Berechnung des Bürgergeldes soll der Faktor Rente hinzugefügt werden, der ab einem festgelegten, sich an der Lebenserwartung orientierenden Alter eine steuerfinanzierte, bedürftigkeitsunabhängige Grundrente auszahlt. Damit wird ein Teil des Umlagesystems mit Rentenversicherungsbeiträgen durch ein Umlagesystem mit Steuern ersetzt. So können die Risiken der kapitalgedeckten Vorsorge, niedrige Zinsen und Inflation, ausbalanciert werden. Da das beitragsgebundene Umlagesystem darauf beruht, dass jeder eine Rente entsprechend seiner Beitragsleistungen erhält, ist eine einheitliche Grundrente damit nicht durchführbar, sondern eine Finanzierung aus Steuern notwendig.

b) Renteneintrittsalter
Allgemein muss klar sein, dass mit einer höheren Lebenserwartung und einer besseren Gesundheit auch die Lebensarbeitszeit im Durchschnitt steigen wird. Damit im Einklang steht ein Wandel der Wahrnehmung von älteren Menschen als aktive Mitglieder der Gesellschaft, die mit Lebenserfahrung die Arbeitswelt mitgestalten können. Ein staatlich festgelegtes, starres Renteneintrittsalter wird jedoch der Verschiedenheit der Menschen und Berufe nicht gerecht. Politische Forderungen, wie eine Rentengarantie nach 45 Jahren Arbeit oder ein Renteneintrittsalter mit 63 oder 67 Jahren, nehmen willkürliche Zahlen als Maßstab und ignorieren die persönlichen Lebensumstände, von denen das Erwerbsleben abhängt. Daher befürworten die Jungen Liberalen Hessen ein weitgehend flexibles Renteneintrittsalter, bei dem jeder für sich selbst abwägen kann, inwiefern er eine geringere Rente für eine kürzere Lebensarbeitszeit in Kauf nimmt. Dabei schafft der kapitalgedeckte, private Rentenanteil Flexibilität, während die staatliche Grundrente eine Altersfestlegung erfordert. Bedingung für den Eintritt in die Rente ist somit die Deckung der Bürgergeldsicherung bei Bedürftigkeit durch die kapitalgedeckte private Rentenvorsorge. Ab einem festgelegten Alter, das sich an Lebenserwartung und Lebensleistung orientieren muss, entfällt diese Deckungspflicht. Wer bereits vorher aus gesundheitlichen Gründen in Rente gehen muss und nicht ausreichend Kapital ansparen konnte, der kann Bürgergeld anstatt einer Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen. Das flexible Renteneintrittsalter mindert Frühverrentungsanreize, da jeder durch Kapitaldeckung selbst für sein Rentenniveau verantwortlich ist, bietet aber gleichzeitig jedem die Option, sich für einen frühen Renteneintritt zu entscheiden.

Hinzuverdienstgrenzen bei Bezug von Rente sollen gänzlich wegfallen. Durch Bürgergeld und Grundrente wird es für ältere Menschen möglich sein, die Arbeitszeit zu reduzieren und schrittweise in den Ruhestand zu treten, ohne durch Einkommensverluste abgestraft zu werden. So kann der kapitalgedeckte Rentenanteil individuell an das Arbeitsniveau angepasst werden, ohne Nachteile für andere Menschen zu schaffen.

c) Berufsständische Versorgungen
Die staatliche Rentenvorsorge im Bürgergeldsystem soll auf Mitglieder berufsständischer Versorgungen und bisher nicht pflicht-versicherte Selbstständige ausgeweitet werden. Nach Umbau des Rentensystems sollen die berufsständischen Versorgungen, die die Altersversorgung für kammerfähige freie Berufe wie Ärzte oder Rechtsanwälte durch kapitalbildende Verfahren gewährleisten, keine verpflichtende Mitgliedschaft mehr haben. Eine staatliche Organisation der Rente ist nicht mehr erforderlich und nicht begründbar. Die berufsständische Versorgung ist historisch aufgebaut worden, um betroffenen Berufsgruppen, die nicht die gesetzliche Rentenversicherung in Anspruch nehmen durften, eine staatliche Alternative zu bieten. Bei einer Umwandlung der gesetzlichen Rente fällt diese Argumentation weg. Wenigen ausgewählten Berufsgruppen nach Umbau des Rentensystems eine Sonderoption anzubieten, lässt sich nicht rechtfertigen.

2.2. Privat
a) Kapitalgedeckte Vorsorge
Im neuen Rentensystem soll die kapitalgedeckte, private Rentenvorsorge eine weitere Säule bilden. In einem kapitalgedeckten Rentensystem muss jeder Bürger während seines Erwerbslebens Vermögen bilden, um im Alter eine Rente aus dem angesparten Kapital beziehen zu können. Jeder Bürger soll verpflichtet werden, einen staatlich festgelegten Prozentsatz seines Bruttolohns, der sich an der Lohnentwicklung orientieren muss, in eine private Altersvorsorge zu investieren. Die Pflicht der Rentenvorsorge schützt nicht nur den einzelnen Bürger davor, das Thema Altersvorsorge zu umgehen und fahrlässig mit seiner Zukunft umzugehen, sondern auch die Gemeinschaft der Steuerzahler davor, für die fehlende Vorsorge von anderen aufkommen zu müssen. Die private Vorsorge ermöglicht es jedem Bürger, zwischen unterschiedlichen Anlageformen zu diversifizieren und seine Vorsorge auf Angebote im Ausland auszuweiten.

Eine staatliche Anlagealternative, wie einen staatlichen, zentralen Fonds, lehnen wir ab. Ein staatlicher Konkurrent kann wettbewerbsrechtlich nicht gerechtfertigt werden und stellt auch für den Anleger keinen Vorteil da, da er nicht die nötige Individualität in der Vorsorge bieten kann.

b) Übergangsphase
Der Übergang von einer rein umlagefinanzierten Rente hin zu einer Grundversicherung mit Ergänzung einer kapitalgedeckten, privaten Säule erfordert eine Umbauphase von zwei Generationen, während derer kontinuierlich die Beitragshöhe und Gewichtung der gesetzlichen Rentenversicherung bei gleichzeitiger Erhöhung des kapitalgedeckten Anteils abgesenkt werden muss. So wird die Last des Umbaus des Rentensystems auf viele Jahrgänge und Schultern verteilt und muss durch Steuergelder unterstützt werden, anstatt für einen geringen Teil der Bevölkerung eine untragbare Doppelbelastung darzustellen. Im Zuge der Übergangsphase soll die Angleichung der Renten in Ost- und Westdeutschland weiterhin bis zum Jahre 2020 erfolgen.
Bis die kapitalgedeckte Rente eingeführt ist, fordern die Jungen Liberalen das Auslaufen der Rentenschutzklausel im sechsten Sozialgesetzbuch. Die aktuelle Rente muss sich an der Lohnentwicklung orientieren. Das Versprechen steigender Renten ist unrealistisch und verschärft die Generationenungerechtigkeit zusätzlich zum demographischen Wandel. Die bereits erworbenen Rentenansprüche der bisherigen Beitragszahler müssen erhalten bleiben.

2.3. Betrieblich
Die betriebliche Altersvorsorge stellt für die Jungen Liberalen Hessen einen guten ergänzenden Ansatz zur privaten Rentenvorsorge dar. Für uns bleibt der Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung, die die Umwandlung von Teilen des Gehalts in eine betriebliche Altersvorsorge beschreibt, weiterhin eine gute Garantie für Arbeitnehmer, eine betriebliche Rentenvorsorge in Anspruch nehmen zu können. Die Ansprüche der betrieblichen Rentenvorsorge müssen bei den beitragsbasierten Zusagen bei einem arbeitsplatzbedingten Wechsel von Pensionskassen übertragbar sein und im Todesfall an Hinterbliebene ausgezahlt werden. Leistungen, die Arbeitgeber für die Altersversorgung von Arbeitnehmern leisten, müssen in voller Höhe als Betriebsausgaben anerkannt werden.

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