FUSSBALL UND GESELLSCHAFT – GEHÖRT DAS ZUSAMMEN?

Heute Abend startet auch die Deutsche Nationalmannschaft, oder kurz „Die Mannschaft“, wie sie seit knapp einem Jahr abgekürzt wird, mit dem Spiel gegen die Ukraine in die EM. Ich und wahrscheinlich die meisten von euch wünschen der „Mannschaft“ für die kommenden Wochen den größtmöglichen sportlichen Erfolg. Und obwohl dieser sportliche innereuropäische Wettstreit in den nächsten Wochen im Fokus stehen sollte, ist die Europameisterschaft weit mehr als nur ein Sportevent.

Wie groß die wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs ist, wird einem wieder gut vor Augen geführt, wenn man sieht wie Nike keine Kosten scheut, einen 6-Minuten-Werbespot zur EM herausbringt und dieser dann viral geht. Oder wenn die DFL mit der Vermarktung der Medienrechte für die Bundesliga in den nächsten Jahren eine Rekordsumme von 4,6 Mrd. Euro einnehmen wird. Werbung, Übertragungsrechte, Merchandise – die Bedeutung des Fußballs aus einer wirtschaftlichen Perspektive ist enorm und auch neben den EM- oder WM-Monaten weitestgehend ersichtlich.

Was jedoch insbesondere kurz vor und während einer WM oder EM hervorsticht, ist die gesellschaftliche und teilweise politische Bedeutung des Fußballs. Grade in den letzten Tagen machte bspw. die Grüne Jugend auf sich aufmerksam, als Sie zum Deutschland-Flaggen-Boykott aufrief, da diese „nationalistisches Gedankengut“ fördern würden. Wie man nun zu diesem Aufruf steht, bleibt jedem selbst überlassen. Ich für meinen Teil genieße die tolle Atmosphäre während der EM und freue mich zu sehen, wenn so viele Menschen öffentlich ihre Nationalmannschaft unterstützen. In anderen Länder ist dies ganz normal. Nichtsdestotrotz, die Frage, wie viel Patriotismus sich unsere Gesellschaft erlauben darf, kommt immer wieder während den großen Fußball-Turnieren auf und spaltet dabei die deutsche Bevölkerung.

Auch in Bezug auf Europa und die anhaltende Terrorgefahr kann die EM ein Zeichen setzen. Ich hoffe, dass die EM als europäisches Großevent den Zusammenhalt der EU, auch insbesondere bezüglich der aktuellen Krisen, hervorhebt und nicht Terroranschläge und Furcht das Turnier in den Schatten stellen. Leider sind es ja unsere westlichen Werte, unsere Ausgelassenheit und Feierlaune während der EM, denen die Terroristen den Kampf angesagt haben. Ich hoffe für uns alle, dass sie dabei nicht erfolgreich sind und wir die nächsten Wochen in Frieden verleben werden.

Das Fußball aber auch auf politischer Ebene von Bedeutung ist und Fußballveranstaltungen auch strategisch genutzt werden können, illustrierte der Internet-Videoblogger Rayk Anders in seiner Youtube-Show Headlinez vor ca. einer Woche. In einem Video geht er auf verschiedene unpopuläre Gesetzte ein, die während der letzten Welt- und Europameisterschaften die Parlamente passierten, während der Fokus der Bevölkerung auf wichtigeren Dinge, wie dem Fußball lag. Als Beispiele nennt er die Mehrwertsteuererhöhung während der WM 2006, die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge 2010, eine Anhörung zum Kauf von Kampfdrohnen während des Achtelfinales gegen Algerien 2014 oder die insbesondere für uns Liberale besonderes ärgerliche Verabschiedung des neuen Meldegesetztes während des Halbfinalspiels bei der EM 2012. Dieses neue Meldegesetz sollte umfangreiche Neuregelungen bedeuten und „es den Meldeämtern erlauben, persönliche Daten von Bürgern an Firmen und Adresshändler weiterzugeben“. Ganze 57 Sekunden dauerte die Verabschiedung – meiner Meinung nach vielleicht etwas wenig Zeit für solch eine wichtige Thematik. Glücklicherweise wurde das Gesetz ein Jahr später zumindest etwas abgeschwächt.

Dass bei dem Thema Fußball die Emotionen öfter einmal etwas hochkochen können, ist uns allen bekannt. In den meisten Fällen hilft dann aber spätestens das nächste kalte Bier diese wieder etwas herunterzukühlen. Im Falle der Länder El Salvador und Honduras im Jahr 1969 half dieser anscheinend nicht, da in Folge eines von Honduras verlorenen Qualifikationsspiels für die WM 1970 in Mexico Unruhen und ein anschließender militärischer Konflikt zwischen den zwei Ländern ausbrach. Vollständigerweise muss man erwähnen, dass bereits vor dem Spiel ein Grenzkonflikt zwischen Honduras und El Salvador vorlag. Das Fußballspiel war also nur direkter Auslöser, nicht jedoch Grund des seitdem als „Fußballkrieg“ bekannten Konfliktes.

„Fußball ist mein Leben!“ – diesen Spruch hat bestimmt der eine oder andere von uns von einem seiner fußballbegeisterten Freunde oder Bekannten gehört. Wie ich mit den obigen Beispielen zeigen wollte, trifft das in gewisser Weise auf uns alle zu. Ob nun als Konsument, oder Mitglied unserer Gesellschaft und ob wir es nun gut finden oder nicht – Fußball ist in vielerlei Hinsicht ein Teil unseres Lebens. Nichtsdestotrotz wünsche ich mir für uns alle, dass wir in den kommenden Wochen wieder die sportliche Seite in den Vordergrund stellen können und dass Fußball wieder so simpel wird, wie es einst schon der große englische Philosoph Gary Lineker formulierte: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“

von Martin Simke

 

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